Lappland gehört zu den wenigen Orten in Europa, die noch echtes Wildnisgefühl vermitteln. Eine Region, die sich nicht erklären lässt – man muss sie fühlen. Endlose Weiten, uralte Traditionen und eine Natur, die in ihrer Kraft beinahe archaisch wirkt, formen ein Lebensgefühl, das viele Menschen sofort in den Bann zieht. In diesem ersten Teil meiner Lappland-Serie tauchen wir tief ein in das Wesen dieser besonderen Region: in ihre Atmosphäre, ihre Natur und die Lebensweise der Menschen, die dort zu Hause sind.
Was macht diese Region so besonders?
Wer nach Lappland reist – ob mit der Karte oder in Gedanken – trifft auf eine Welt, die sich fundamental von Mitteleuropa unterscheidet. Die Region ist geprägt von einer Natur, die unberührt erscheint, und einem Klima, das die Menschen seit Jahrhunderten herausfordert und gleichzeitig formt.
Das Licht spielt dabei eine zentrale Rolle:
Im Sommer scheint die Sonne wochenlang und taucht die Landschaft in ein goldenes, fast surreal warmes Licht. Im Winter hingegen bestimmt die Polarnacht das Leben – eine Zeit, in der die Sonne wochenlang nicht über den Horizont steigt und das Leben im bläulich-dunklen Zwielicht stattfindet. Diese Extreme prägen den Alltag, die Kultur und die Mentalität der Menschen.
Die Stille Lapplands ist eine Stille, die man nicht nur hört, sondern körperlich spürt. Es gibt viel Raum für sich selbst, für Naturverbundenheit, für ein Leben im Rhythmus der Jahreszeiten. Die Menschen, die dort leben, sind es gewohnt, dass Entfernungen weit und Wege beschwerlich sind – und gerade deshalb ist Gemeinschaft ein kostbares Gut.
Lappland erzählt Geschichten von Einfachheit, Naturverbundenheit und dem Mut, trotz Kälte und Dunkelheit im eigenen Licht zu leben.
Das Wappen Lapplands ist eines der ältesten und symbolträchtigsten Wappen Skandinaviens. Es besteht aus wenigen, aber sehr ausdrucksstarken Elementen – jedes davon trägt eine geschichtliche oder kulturelle Bedeutung.


Das Wappen von Lapplands hat eine tiefe Bedeutung
Der wilde Mann ist eine mythologische Figur, die in der nordischen Heraldik häufig vorkommt.
Im Lappland-Wappen steht er für:
- Ursprüngliche Naturkraft
- Ungezähmte Wildnis
- Unberührte Landschaften, die lange Zeit als gefährlich, einsam und geheimnisvoll galten
- Die zähe, starke Bevölkerung, die in dieser Region über Jahrhunderte überlebt hat
Er trägt einen Kranz aus Laub und eine Keule – typische Attribute für naturverbundene Sagengestalten.
Der Kranz aus grünem Eichenlaub, den der wilde Mann trägt, symbolisiert:
- Stärke und Ausdauer, da die Eiche im Norden ein Sinnbild für Robustheit ist
- Lebensenergie und Heilkraft
- Tiefe Verbundenheit mit den Wäldern Lapplands
Eiche wächst im hohen Norden nur spärlich, weshalb sie im Wappen auch als Symbol der Seltenheit und Kostbarkeit steht.
Die Keule ist ein urtümliches Werkzeug und gleichzeitig ein Schutzsymbol. Sie steht für:
- Überlebensfähigkeit in rauer Wildnis
- Schutz gegen Gefahren
- Handwerkliche, einfache, aber effektive Werkzeuge, die das Leben dort möglich machten
Der tiefblaue Schildgrund ist typisch für nordische Wappen. Seine Bedeutung:
- Kälte und Winter als prägende Elemente Lapplands
- Große Seen und Flüsse, die den Norden dominieren
- Weite, klare Himmelsfarben
Blau ist zudem eine heraldische Farbe, die für Treue, Beständigkeit und Wahrheit steht – Werte, die man auch den Menschen im Norden zuschreibt.
Die Haare und einige Details des wilden Mannes erscheinen oft in Gold. Gold symbolisiert:
- Wert und Bedeutung der Region
- Kulturellen Reichtum Lapplands
- Eigenständigkeit und Würde, die Lappland als historische Provinz besitzt
Die elementare Kraft des Nordens
Lapplands Natur ist atemberaubend – aber nicht auf die spektakuläre, laute Art, wie man sie aus tropischen Regionen kennt. Hier beeindruckt die Landschaft durch Weite, Klarheit und Ursprünglichkeit.
Eine Landschaft voller Kontraste
Lappland besteht aus Tundra, kargen Fjälllandschaften, dichten Kiefern- und Birkenwäldern, moosbewachsenen Hochebenen und glasklaren Seen. Die Natur wirkt oft minimalistisch, fast meditativ – ein perfekter Ort, um zur Ruhe zu kommen.
Im Winter wird die Landschaft zu einer stillen, weißen Welt. Schnee dämpft jedes Geräusch, und die Konturen der Landschaft verschwimmen zu einer weichen, fast monochromen Szenerie.
Im Sommer dagegen explodiert das Leben förmlich:
Moose leuchten in sattem Grün, Flüsse rauschen, und die Sonne scheint selbst um Mitternacht auf die Baumwipfel.
Das magische Nordlicht
Ein Höhepunkt der Naturerlebnisse ist ohne Zweifel das Nordlicht. Die leuchtenden Schleier am Himmel wirken, als würden sie tanzen – ein Phänomen, das Menschen seit Jahrtausenden berührt und inspiriert. Für viele Einheimische sind die Polarlichter nicht nur ein Naturereignis, sondern ein spiritueller Moment.

Lapplands Tierwelt im arktischen Klima
Die Tiere Lapplands sind perfekt an das raue Klima angepasst. Rentiere ziehen durch die weiten Landschaften, Elche finden in den Wäldern reichlich Nahrung, und Polarfüchse wechseln im Winter ihr Fell – ein ausgeklügeltes Überlebenssystem, das beeindruckt. Diese Natur lehrt Respekt, Demut und das Bewusstsein dafür, wie eng Mensch und Umwelt miteinander verbunden sind. Weitere Tiere sind beispielweise:
Wolf
Der Wolf lebt in Lappland meist sehr zurückgezogen und wird nur selten von Menschen gesehen. Sein Überleben im arktischen Klima verdankt er einem besonders dichten Fell, das aus einer isolierenden Unterwolle und längeren, wasserabweisenden Deckhaaren besteht. Diese Kombination schützt ihn zuverlässig vor Wind, Schnee und extremen Minusgraden. Wölfe sind ausdauernde Läufer und können über weite Strecken im tiefen Schnee traben, ohne viel Energie zu verlieren. Im Rudel jagen sie große Tiere wie Elche, was in der kargen Winterlandschaft wichtige Überlebensstrategien erfordert. Die enge soziale Struktur des Rudels ermöglicht eine effiziente Arbeitsteilung während der Jagd. Trotz ihrer Stärke bleiben Wölfe vorsichtig und meiden Menschen, was sie zu geheimnisvollen Symbolfiguren der nordischen Wildnis macht.
Schnee-Eule
Die Schnee-Eule zählt zu den eindrucksvollsten Bewohnern Lapplands und ist perfekt an das Leben im arktischen Raum angepasst. Ihr schneeweißes Federkleid sorgt nicht nur für Tarnung, sondern bietet auch hervorragende Isolation, weil Federn dicht geschichtet sind und Luft einschließen. Selbst ihre Beine und Krallen sind vollständig befiedert, wodurch sie kaum Wärme verlieren. Die Schnee-Eule verfügt über ein außergewöhnlich scharfes Sehvermögen, das es ihr ermöglicht, Beute selbst im dämmrigen Winterlicht präzise zu erkennen. Zusätzlich besitzt sie ein extrem feines Gehör, das Bewegungen unter Schnee wahrnehmen kann. Ihre Nahrung besteht überwiegend aus Lemmingen und anderen Kleinsäugern, wobei sie sich flexibel an das verfügbare Angebot anpasst. Diese Anpassungsfähigkeit macht sie zu einem faszinierenden Symbol für Überleben und Eleganz in einer extremen Umwelt.
Schneehase
Der Schneehase ist ein Meister der jahreszeitlichen Anpassung und zeigt dies besonders in seinem Fell. Im Winter trägt er ein außergewöhnlich dichtes, weißes Fell, das aus einer warmen Unterwolle und langen, hohlen Deckhaaren besteht, die Luft speichern und dadurch perfekt isolieren. Diese Struktur verhindert Wärmeverlust selbst bei klirrenden –40 °C. Im Sommer hingegen wechselt sein Fell zu einem braun-grauen Ton, der ihn in Felsen, Moosen und Sträuchern nahezu unsichtbar macht. Die Fellwechsel werden durch Tageslichtlänge und Temperatur gesteuert und sind ein beeindruckendes Beispiel biologischer Feinabstimmung. Zusätzlich helfen ihm große, pelzige Hinterpfoten, die wie natürliche Schneeschuhe wirken und ein Einsinken im Schnee verhindern. Durch diese Kombination aus Tarnung, Isolation und anatomischen Besonderheiten ist der Schneehase eines der am besten angepassten Tiere Lapplands.
Braunbär
Der Braunbär ist in Lappland ein stiller Herrscher der Wälder und Berge, auch wenn er einen großen Teil des Jahres in Winterruhe verbringt. Während dieser Monate lebt er von einer gewaltigen Fettschicht, die er im Sommer und Herbst durch Beeren, Wurzeln und kleinere Tiere aufgebaut hat. Sein dichtes Fell schützt ihn zuverlässig vor Schnee und Kälte, selbst wenn die Temperaturen drastisch fallen. Vor der Winterruhe gräbt er Höhlen oder nutzt natürliche Schutzräume, um Energie zu sparen und ungestört zu bleiben. Trotz seiner imposanten Größe ist der Braunbär überraschend scheu und meidet menschliche Siedlungen. Im Frühjahr verlässt er hungrig seine Höhle und durchstreift große Gebiete auf der Suche nach Nahrung. Seine Präsenz erinnert daran, wie wichtig unberührte Landschaften für den Fortbestand großer Wildtiere sind.
Leben im Rhythmus der Natur
Das Leben in Lappland ist ein Leben im Einklang mit den Elementen. Die Menschen, die hier wohnen, sind von Natur aus robust, verbunden mit ihrer Umgebung und geprägt von einer tiefen Gelassenheit.
Zwischen Tradition und Moderne
Die Städte und Dörfer Lapplands sind oft klein, ruhig und stark von der Geschichte geprägt. Während moderne Infrastruktur – von Internet über Schulen bis zu nachhaltigen Energieprojekten – heute selbstverständlich ist, bleibt der Alltag dennoch eng mit der Natur verbunden.
Hier zwei Fakten: Rovaniemi — größte “Stadt” mit etwa 62.000 Einwohnern und Utsjoki, die kleinste Stadt mit 1.200 EInwohnern.

Arbeiten in der Kälte
Lappland ist eine Region, in der das Leben eng mit der Natur, dem Licht und den wechselnden Jahreszeiten verbunden ist. Viele Menschen arbeiten hier in traditionellen und modernen Berufen, die direkt oder indirekt vom arktischen Klima geprägt sind: Fischerei, Handwerk, Tourismus, Rentierhaltung und Forstwirtschaft bestimmen den Alltag vieler Familien.
In der Fischerei beginnen die Tage oft schon in den frühen Morgenstunden, und je nach Wetter und Fangbedingungen arbeiten die Menschen sechs bis zehn Stunden täglich. Auch die Rentierhalterinnen und Rentierhalter richten sich nach dem natürlichen Rhythmus der Tiere; besonders im Herbst, wenn die Herden sortiert werden, dauern die Arbeitstage nicht selten zehn Stunden oder länger. Die Forstwirtschaft in Lappland folgt ebenfalls einem saisonalen Muster, mit intensiven Phasen während der Holzernte und ruhigeren Momenten in den Wintermonaten. Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker arbeiten meist selbstständig und flexibel, verteilt über mehrere kürzere Einheiten am Tag. Der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Lapplands, und während der beliebten Wintersaison fallen häufig zehn- bis zwölfstündige Schichten an – etwa in Hotels, bei Nordlichttouren oder Hundeschlittenabenteuern.
Jugendliche dürfen in Lappland ab etwa 14 bis 15 Jahren erste einfache Tätigkeiten übernehmen, während sie mit 16 bereits regulärere Arbeitszeiten leisten können. Viele wachsen jedoch schon früher in Familienbetriebe hinein und lernen spielerisch die Fähigkeiten, die für Fischerei, Handwerk oder Rentierhaltung wichtig sind. Die allgemeine Wochenarbeitszeit liegt wie in anderen nordischen Ländern bei rund 37 bis 40 Stunden, wird in saisonalen Berufen aber deutlich flexibler gestaltet. Während manche im Sommer intensiver arbeiten, ist für andere der Winter die arbeitsreichste Zeit. Das Renteneintrittsalter in Lappland liegt üblicherweise zwischen 65 und 67 Jahren, doch gerade Menschen in körperlich anspruchsvollen Berufen entscheiden sich oft für einen etwas früheren Ruhestand. Viele, die in traditionellen Tätigkeiten verwurzelt sind, bleiben auch über das offizielle Rentenalter hinaus aktiv – denn Arbeit ist in Lappland nicht nur Erwerb, sondern Teil einer tief verankerten Lebensweise.
Die Bedeutung der Natur im Alltag
In Lappland bestimmt die Natur nahezu jede Entscheidung des Alltags: Sie entscheidet, wann man reist, wie man sich fortbewegt, was auf den Tisch kommt und wie man wohnt. Im langen, dunklen Winter bedeutet das Schneemobile statt Fahrräder, dicke Thermokleidung, sorgfältige Vorratshaltung und das Wissen, dass selbst kurze Wege zur Herausforderung werden können. Der Sommer hingegen öffnet eine völlig andere Welt: Dann sammeln die Menschen Beeren und Kräuter in den Wäldern, gehen angeln in klaren Seen, reparieren Boote oder Hütten und verbringen oft bis spät in die Nacht Zeit im Freien – denn die Sonne geht wochenlang kaum unter. Diese enge Verbundenheit mit der Natur formt eine Lebenshaltung, die stark von Nachhaltigkeit, Respekt und achtsamer Ressourcennutzung geprägt ist. Wer in Lappland lebt, folgt nicht dem Kalender, sondern dem Rhythmus der Jahreszeiten – und entwickelt dabei eine tiefe Wertschätzung für das, was die Landschaft schenkt und abverlangt zugleich.


Gemeinschaft und Kultur
In einer Region wie Lappland, in der die Entfernungen groß sind und der Winter lange Dunkelheit mit sich bringt, hat Gemeinschaft einen besonderen Stellenwert. Nachbarschaftliche Unterstützung, gemeinsame Feste und traditionelle Musik stiften Nähe und vermitteln Sicherheit in einer oft herausfordernden Umgebung. Die indigene samische Kultur prägt den Alltag sichtbar – in der Sprache, in kunstvoll gearbeiteten Trachten, im filigranen Handwerk und in der tiefen Verbundenheit mit der arktischen Landschaft und den Rentieren.
Das offiziell anerkannte indigene Volk innerhalb Europas sind die Sámi (auch Samen oder Samí genannt). Sie leben in einer Region, die Sápmi genannt wird und sich über Nordnorwegen, Nordschweden, Nordfinnland und die russische Kola-Halbinsel erstreckt – also Lappland 😉.
Wer Lappland besucht oder sich intensiver mit der Region beschäftigt, spürt schnell: Das Leben hier ist zwar anspruchsvoll, aber zugleich ursprünglicher, bewusster und näher an den eigenen Wurzeln. Genau diese Echtheit macht den Norden so eindrucksvoll und nachhaltig berührend.
Ein weiterer faszinierender Aspekt Lapplands sind die einzigartigen Traditionen und Bräuche, die es in dieser Form nur hier gibt. Besonders charakteristisch ist der Joik – ein alter samischer Gesang, der Menschen, Tiere oder Orte in Töne fasst. Auch die Rentiermarkierung, bei der jede Familie individuelle Schnitte in die Ohren ihrer Tiere setzt, gehört zu diesen tief verwurzelten Praktiken. Rituale rund um Polarnacht und Mittsommer spiegeln die extremen Lichtverhältnisse wider und prägen das gesellschaftliche Leben auf ganz eigene Weise. Die traditionelle Tracht Gákti erzählt durch Farben und Formen von Herkunft und sozialer Zugehörigkeit. Nomadische Rentierwanderungen, das Wohnen im mobilen Lavvu-Zelt, das alltägliche Eisschwimmen sowie kleine Dankrituale vor dem Sammeln oder Jagen zeigen, wie eng Kultur und Natur hier miteinander verschmelzen. Diese Bräuche eröffnen Besucherinnen und Besuchern einen authentischen Einblick in eine Lebensweise, die seit Jahrhunderten weitergegeben wird.
Und was fühlst Du?
Vielleicht spürst du nach dieser Reise durch den hohen Norden schon ein wenig von der Ruhe, Weite und Ursprünglichkeit, die Lappland so besonders macht. Die Menschen dort leben im Einklang mit einer Natur, die stärker als anderswo den Rhythmus des Alltags bestimmt – mit langen Winternächten, endlosem Sommerlicht und einer tief verwurzelten Kultur, die seit Jahrhunderten von Respekt und Achtsamkeit geprägt ist. Wie würde sich dein Alltag verändern, wenn Licht, Kälte und Natur so stark deinen eigenen Rhythmus bestimmen würden wie in Lappland?
Wie Lappland dich weiter überraschen wird
Im nächsten Teil des Blogbeitrags tauchen wir noch tiefer in diese faszinierende Welt ein: Du erfährst mehr über die Bedeutung der samischen Kultur, die Besonderheiten der Rentierhaltung und die traditionellen Handwerke, Muster und Materialien, die Lappland prägen. Außerdem werfen wir einen Blick auf Design, Architektur und natürliche Materialien, die das Wohnen im Norden so einzigartig machen – und entdecken, wie Farben, Formen und Stille der arktischen Landschaft modernes Wohndesign inspirieren können. Weitere Kapitel führen dich zu besonderen Orten des Nordens, zu spannenden Fragen rund um Orientierung und Kartografie sowie zu den Herausforderungen, die Klimawandel und Nachhaltigkeit für Lappland mit sich bringen. Lass dich überraschen, wie viel wir von diesem außergewöhnlichen Landstrich lernen können.
